Landwirt im Traktor beim Drillen der Zuckerrüben

Insekten als Klimaprofiteure

Sie kommen - Insekten als Klimaprofiteure

Vortragskurzfassung | Eine Gruppe von Wissenschaftlern um Curtis Deutsch ist in einer Arbeit (1) der Frage nachgegangen, welchen Einfluss die globale Erwärmung auf Insekten als Schädlinge hat, und welche Effekte bei den drei Kulturen Weizen, Reis und Mais zu erwarten sind.

Weizen, Reis und Mais liefern allein 42 % der Kalorien für die gesamte Menschheit – Sie repräsentieren das Brot für die Welt. Aktuell werden zum Beispiel weltweit gut 40 Mio. Tonnen Weizen pro Jahr durch Insekten vernichtet, das entspricht 7,6 % der Jahresproduktion. Was passiert, wenn es im Mittel um 2 °C wärmer wird? Ein stetiger Klimawandel ist anhand zahlreicher Parameter messbar (2).

Um das herauszufinden, bedienten sich die Wissenschaftler einer Fülle an Daten von Entomologen, Agrarexperten und Klimaforschern aus der ganzen Welt, um daraus Rechenmodelle abzuleiten.

Anders als Säugetiere und Vögel, die ihre Körpertemperatur über verschiedene Regelmechanismen konstant halten, sind Insekten wechselwarme Tiere, die ihre Temperatur der Umgebung anpassen. Steigt deren Körpertemperatur, so erhöht sich auch gleichzeitig ihr Stoffwechsel. Den dadurch steigenden Energiebedarf decken sie, indem sie mehr fressen. Eine höhere Nahrungsaufnahme führt bei den meisten Insekten zu einer gleichfalls höheren Vermehrungsrate. Diese Nachkommen entwickeln ihrerseits einen hohen Appetit und setzen so einen sich selbst verstärkenden Prozess in Gang.

Die Existenz und Vermehrung von Insekten wird, neben weiteren Faktoren, auch maßgeblich durch einen Temperaturbereich begrenzt. Dieser wird durch kritische Minimal- und Maximaltemperaturen, und einen Bereich der Optimaltemperatur definiert (3).

Je nach betrachteter Region ist die Spannweite dieses Temperaturbereiches enger oder weiter. In den gemäßigten Regionen der Erde ist noch viel Spielraum nach oben. Wird es wärmer, verbessern sich die Bedingungen für die Insekten, sie nähern sich weiter dem Temperaturoptimum. In den heißen Tropen etwa zeigt sich ein anderes Bild: Die Insekten dort leben bereits bei optimalen Temperaturen, oder nahe der kritischen Maximaltemperatur. Wird es dort wärmer, vertragen viele Spezies das nicht mehr, die Populationen und Schäden gehen zurück.

Die größte Zunahme an Schäden durch Insekten ist demnach in den gemäßigten Breiten Europas, Nordamerikas und Chinas zu befürchten, in der Region, in der Weizen dominiert. Bei einer Zunahme der Mitteltemperatur von 2 °C werden die Verluste im Weizen um 46 % oder 18,4 Mio. Tonnen steigen, so die Prognose. Für diese Regionen bestehen beste Gründe, gegen den Klimawandel vorzugehen.

In den Tropen Afrikas und Asiens dominiert Reis, der im Vergleich zum Weizen nur mit einer Verlustzunahme von 19 % zu rechnen hat. Für den Mais als Kultur, die in allen Klimazonen angebaut wird, wird eine Verlustzunahme von 31 % prognostiziert. Insgesamt würden dann 214 Mio. Tonnen der Weltproduktion pro Jahr von Insekten vernichtet.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die globale Versorgung an Grundnahrungsmitteln zurück gehen und die Preise steigen werden, zum Nachteil der 800 Mio. bereits jetzt hungernden Menschen auf der Welt.

Das Erreichen und Einhalten von Klimazielen erhält weitere Priorität.

Die ackerbauliche Praxis wird sich ändern. Sä- und Pflanztermine verschieben sich. Neue Fruchtfolgen und Kulturen etablieren sich. Die Pflanzenschutzpraxis wandelt sich durch den Wegfall von insektiziden Wirkstoffen und die Entwicklung von Resistenzen, wie sie bereits heute sichtbar sind. Die Anwendung gentechnischer Methoden in der Pflanzenzüchtung wird möglicherweise unter zunehmendem Druck auch in Mitteleuropa akzeptiert werden.

Insekten migrieren in klimatisch passendere Regionen, oder hin zu einem passenderen Nahrungsangebot.

Alles das sind Dinge, die bereits passieren, und lange Zeiträume umfassen.

 

1 DEUTSCH, Curtis A. et al., 2018: Increase in crop losses to insect pests in a warming climate; Science 361, 916-919 (2018) 
2 KENNEDY J. J. et al., 2010: How do we know the world has warmed? [in: State of the Climate in 2009]. Bull. Amer. Meteor. Soc., 91 (6), S26-S27 
3 DEUTSCH, Curtis A. et al., 2008: Impacts of climate warming on terrestrial ectotherms across latitude; 6668-6672, PNAS, vol. 105, No. 18