Wir haben im August 2020 bereits einen kleinen Beitrag zu verschiedenen börsennotierten Unternehmen des Agrarsektors geschrieben. Das Thema erfreute sich hohen Interesses, daher wollen wir es erneut aufgreifen und einen Blick aus Anlegersicht darauf werfen: Wie ist der Agrarsektor im Vergleich zum Gesamtmarkt durch die Turbulenzen gekommen, die die globale Wirtschaft erschüttern? Hat sich unsere optimistische Prognose vom August 2020 erfüllt?
Das Investment in landwirtschaftliche Rohstoffe, wie etwa Weizen oder Zucker, hat in den letzten zehn Jahren bei Kleinanlegern nachgelassen. Noch vor zehn Jahren gab es eine schier unüberschaubare Anzahl an Zertifikaten, Optionsscheinen und exotischen Hebelpapieren auf nahezu jeden landwirtschaftlichen Rohstoff.
Ein maßgeblicher Auslöser für deren Rückgang war die Tortilla-Krise in Mexiko 2007. Die Maispreise waren in bisher ungekannte Höhen gestiegen. Es wurden Spekulanten verantwortlich gemacht, die zum Zwecke der Mengenverknappung Mais horteten, um die Preise in die Höhe zu treiben und ihre Gewinne zu maximieren. Als nächster „Schuldiger“ wurden die mit Mais betriebenen Ethanolbrennereien in den USA ausgemacht, die ihren Rohstoffbedarf wegen der steigenden Nachfrage nach Ethanol am Markt deckten. Die „Teller-Tank-Debatte“ hatte begonnen, und sie hat bis heute nicht aufgehört.
Es bekam einen unethischen Beigeschmack, mit Agrarrohstoffen zu „zocken“. Viele Investmentbanken stellten die Emission dieser Anlageinstrumente ein oder reduzierten sie stark. Heute ist die Zahl der Produkte überschaubarer.
Corona facht Aufmerksamkeit an
Die Corona-Krise war eine Art Weckruf, der die Bedeutung der Landwirtschaft als Lebensmittelproduzent neu definierte: Plötzlich galt der Agrarsektor als systemrelevant! Als Verstärker dieser globalen Krise kam 2022 der Krieg Russlands gegen die Ukraine hinzu, beide bedeutende Produzenten von Agrarrohstoffen wie Weizen, Sonnenblumen und anderen Produkten in Größenordnungen, die den Weltmarkt bewegen. Dementsprechend bewegten sich die Preise für Getreide, Raps und andere Produkte nach oben. Während Landwirte und der vor- und nachgelagerte Bereich gutes Geld verdienen konnten, wird bisher noch ausgeblendet, dass die ebenfalls gestiegenen Kosten für Düngemittel, Maschinen, Energie und Treibstoffe jetzt im Nachgang auf den Tisch kommen.
Das Interesse der Investoren am Agrarsektor ist auf jeden Fall gestiegen. Die Geschäfte gehen gut. Nahezu täglich erscheint auf einschlägigen Portalen ein Artikel über eine oder mehrere Unternehmen des Agrar- oder Lebensmittelsektors, da diese auffallend gut durch die Krise kommen und den breiten Markt deutlich hinter sich lassen. Viele Menschen haben das heimische Kochen wieder für sich entdeckt. Entsprechend war ein deutliches Nachfragehoch von Haushalten nach Lebensmitteln, Zutaten und Gewürzen zu verzeichnen, wie in den Quartalsberichten von global aufgestellten Unternehmen des Lebensmittelsektors, wie z. B. McCormick & Company oder The Kraft Heinz Company, zu lesen war. Wie im letzten Beitrag wollen wir schauen, wie sich die Unternehmen des Agrarsektors, gemessen an ihren Notierungen, behauptet haben. Die Unternehmen sind die gleichen wie in dem Beitrag vom 03. August 2020.
Breiter Markt gegen Agrarsektor
Der Aktienindex Standard & Poor’s 500 (S&P 500) bildet die Entwicklung der 500 größten börsennotierten Unternehmen der USA ab. Dazu gehören bekannte Konzerne wie Microsoft Corporation, The Procter & Gamble Company, The Coca-Cola Company, 3M Company oder Caterpillar Inc., die global aufgestellt sind.
Deere & Company (DE) gehört zu den weltweit führenden Anbietern von Agrartechnik. Egal, ob Kommunaltraktor oder Knicklenkergigant mit Raupenfahrwerk, Mähdrescher jeder Größenordnung, Pflanzenschutz- oder Futtererntetechnik: John Deere als Markenname ist bekannt und beliebt als leistungsfähiger Vollsortimenter der Agrartechnik.
Direkt nach dem Corona-Crash begann eine Rallye, deren Aufwärtstrend auch nach dem dip Anfang Juli 2022 intakt ist. Aus einem Investment von 10.000 € zu Beginn des Jahres 2020 sind bis zum Ende 2022 ca. 25.000 € geworden.
Nutrien Ltd. (NTR) ist als Name hierzulande weitaus unbekannter. NTR entstand 2018 aus der Fusion von Agrium Inc. und Potash Corporation of Saskatchewan und ist heute der weltweit größte Produzent von Kalidünger und zweitgrößter Produzent von Stickstoffdünger.
Archer-Daniels-Midland Company (ADM) ist ein klassisches Beispiel für die sogenannte „aufnehmende Hand“ von Primärerzeugnissen der Landwirtschaft. ADM gehört zu den weltweit bedeutenden Verarbeitern und Händlern von Getreide, Ölsaaten und Zwischenprodukten für die Futter- und Lebensmittelindustrie, sowie Herstellern von Biotreibstoffen, wie etwa Biodiesel.
Nutrien und Archer-Daniels-Midland, Düngemittel und aufnehmende Hand, folgen bis Februar 2022 nahezu kongruent dem Aufwärtstrend, um ab dort mit enormer Volatilität durch das Jahr zu stürmen. ADM markierte neue Allzeithochs und erreichte die höchsten Notierungen seit Börsengang des Unternehmens.
General Mills, Inc. (GIS) schließlich ist ein global aufgestellter Hersteller von Lebensmitteln für Endverbraucher. General Mills produziert und vertreibt mehr als 100 Marken auf sechs Kontinenten, viele von ihnen gelten als Marktführer in den jeweiligen Märkten. In Deutschland sind bekannte Marken von GIS zum Beispiel die Premiumeiscreme Häagen Dazs oder die Convenienceprodukte von Knack & Back.
General Mills, die „Haferflockenaktie“, folgt nahezu unbeeindruckt durch Krisen fast linear, langsam, aber stetig, einem Aufwärtstrend. Die Dividenden wurden während der drei Jahre im Mittel um 2,8 % p. a. erhöht! Da wurde Geld verdient.
Nach dem Corona-Crash Ende März 2020 begann eine Aufholjagd nahezu aller Notierungen. Der breite Markt konnte sich nahezu linear bis zum Beginn 2022 erholen. Zu diesem Zeitpunkt brodelte es bereits, der Krieg Russlands gegen die Ukraine warf seine Schatten voraus. Seit dessen Beginn haben Notierungen aus dem Agrarsektor den breiten Markt unter hoher Volatilität outperformt, während dieser nahezu linear nach unten tendiert.
Börsennotierungen spiegeln die Meinung und Erwartungshaltung des Marktes wider. Und da steht der Agrarsektor, anders, als es die öffentliche Meinung und Medienberichte oft suggerieren, ganz weit vorne! Wir sind gespannt, wie sich der Agrarsektor weiterentwickelt, und wir sind immer noch optimistisch, denn: Gegessen wird immer!