Zuckerrüben, Schwarze Bohnenlaus, Blattläuse, Marienkäfer

Zuckerrüben - Biologischer Pflanzenschutz - Nützlinge Zuckerrüben - Biologischer Pflanzenschutz - Nützlinge

Online-Feldtage zur Zuckerrübe

In den nächsten Wochen möchten wir Ihnen in loser Folge einen Einblick in unsere Arbeit mit Marienkäfern geben. 

Im Zuckerrübenanbau ohne die neonikotinoiden Beizen erfreuen sich Nützlinge aller Art als Prädatoren von Blattläusen zunehmend hoher Aufmerksamkeit. Es sind die Larven von Schwebfliegen und Florfliegen, die enorme Mengen an Blattläusen vernichten, und Schlupfwespen, die ihre Eier in die lebenden Blattläuse legen und sie so parasitieren. Der allerdings prominenteste Nützling mit hohen Sympathiewerten bei allen Menschen ist der bei uns häufig anzutreffende Siebenpunkt-Marienkäfer Coccinella septempunctata.

11. September 2020 | Am 17. Juli 2020 berichteten wir an dieser Stelle über die geplante Beerntung unseres Marienkäferprojekts.

In der zweiten Septemberwoche wurden beide Varianten (mit und ohne Insektizidbehandlung), die in direkter Nachbarschaft auf dem Feld liegen, in vierfacher Wiederholung beerntet. Wir erhofften uns hierdurch zu ermitteln, welchen ertraglichen Nachteil das Unterlassen der Insektizidmaßnahme bewirkt hat. Schon bei der Durchführung der Handrodung wurde das schwächere Ergebnis der Variante ohne Insektizidbehandlung deutlich. Die unbehandelten Rüben waren weniger blattüppig, stärker von der Rübenmotte befallen und deutlich kleiner als die behandelten Pflanzen. Die Proben wurden im Rübenlabor der Zuckerfabrik Könnern gewogen und analysiert.

Der erste Blick auf die Ergebnisse ist wenig erstaunlich: Die behandelte Variante liegt im Rübenertrag 12 Prozent höher als die unbehandelte. Beachtliche Unterschiede offenbaren sich in den qualitätsbestimmenden Inhaltsstoffen, die dazu führen, dass die Differenz am Ende, beim Zuckerertrag, nur noch gute 7 Prozent Vorteil für die Insektizidbehandlung ausmacht. Absolut beträgt der Gewinn im Zuckerertrag durch die zweimalige Insektizidbehandlung 0,9 Tonnen pro Hektar (siehe Grafik „Marienkäferprojekt Timmern 2020).

Wir werden demnächst entscheiden, ob wir das Projekt auch im nächsten Jahr evtl. in etwas abgewandelter Form wiederholen, da es sich großem Interesse erfreut.

17. Juli 2020 | Auf einer unserer Monitoringflächen wurde eine Teilfläche von ca. einem Hektar von jeglichen Insektizidmaßnahmen ausgenommen, um eine ungestörte Marienkäferpopulation zu beobachten. Ab einer stark abnehmenden Zahl von ca. 2000 Käfern pro Hektar haben wir die Vorkommen der Folgestadien erfasst: Larvenstadien L1-L4, Puppen, und schließlich der Käfer der neuen Generation.

Jeweils im Abstand weniger Tage erreichten die Vorkommen der jeweiligen Stadien ihre Maxima, während die Vorstadien stets stark abnahmen: Die Larven erreichten 10 Tage nach Beginn der Zählung ein Maximum von ca. 115.000 Tieren pro Hektar. Altkäfer waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorhanden. 3 Tage später erreichten Puppen eine Dichte von knapp 160.000 Exemplaren pro Hektar. Die Differenz erklärt sich aus der schwierigeren Zählbarkeit der Larvenstadien. 7 Tage später konnten wir bei knapp 80.000 geschlüpften Jungkäfern den Höhepunkt ermitteln. Die Differenz ist eine Folge natürlicher Mortalität und schnellen Abwanderns der flugfähigen Jungkäfer. Zu diesem Zeitpunkt war auch visuell eine schnelle Abnahme aller drei Stadien nebeneinander zu beobachten. 8 Tage später war keine Larve mehr zu finden, 6 Tage darauf auch keine einzige Puppe mehr. Und wieder 5 Tage später gab es auch keine Käfer mehr im Bestand. Alle abgewandert. Und die Blattläuse… waren auch weg. Eine weitere Woche später, nach ca. 10 mm Niederschlag, unterscheiden sich die Rüben vom Erscheinungsbild nur unwesentlich vom behandelten Nachbarbestand. Die genauen Werte unserer Erhebung möchten wir an dieser Stelle noch nicht veröffentlichen, da wir zunächst mehrere Versuchsjahre auswerten möchten. Aus der Literatur ist zu entnehmen, dass die Ergebnisse von Jahr zu Jahr stark voneinander abweichen können, aufgrund vielschichtiger Einflüsse, die teils nur unzureichend erforscht sind. Sicher ist: Es bleibt spannend!

Einige Kleingruppen interessierter Landwirte haben im Verlauf der Saison die Fläche besucht, um sich mit eigenen Augen von den Ergebnissen zu überzeugem. Keiner der Besucher hatte zuvor jemals ein derartig starkes Vorkommen der kleinen nützlichen Freunde beobachten können.

Da uns interessiert, welchen ertraglichen Nachteil das Unterlassen der Insektizidmaßnahme bewirkt hat, werden wir beide Varianten, die in direkter Nachbarschaft auf dem Feld liegen, in vierfacher Wiederholung beernten. Leider erfahren wir so noch nicht, welchen Anteil Nützlinge alleine an der Bekämpfung der Blattläuse haben. Diese Frage ist Gegenstand eines anderen Versuches, dessen Plan wir zumindest schon einmal in der Schublade haben.

An dieser Stelle bedanken wir uns für Ihr Interesse. Wir wünschen uns, ein wenig mehr Bewusstsein und Aufmerksamkeit für Nützlinge im Feld geschaffen zu haben, und Neugierde, einmal in Ruhe vom Traktor abzusteigen und sich das Treiben der kleinen Mitbewohner unserer Felder anzuschauen.

26. Juni 2020 | Bestimmt warten Sie schon auf die Fortsetzung der Geschichte nach der Applikation des Pirimicarb-Präparates. Kurz vorab: Es gibt kein Happy End.

Wenige Tage nach der Applikation waren zahlreiche tote Käfer auf der Fläche zu finden. Innerhalb von 4 Tagen ging die Population auf ca. 34 Marienkäfer pro Hektar zurück. Im Verlauf der nächsten 10 Tage erfolgte eine langsame Erholung auf eine Dichte von 250 bis 350 Tieren pro Hektar. Im weiteren Verlauf konnten keine nennenswerten Vorkommen an Eigelegen und Larven der Marienkäfer gefunden werden, auch die Zahl der Adulten sank auf ein kaum noch zuverlässig zu erfassendes Maß.

Natürlich ist nicht die Vernichtung der Käfer durch das Insektizid alleine verantwortlich für den Populationseinbruch. Das gewünschte Ziel, nämlich eine drastische Reduktion der Blattläuse, wurde erreicht. Damit wurde den vorhandenen Nützlingen allerdings auch die Futtergrundlage entzogen.

  • Ein Großteil der überlebenden Marienkäfer wandert durch Nahrungsmangel in andere, attraktivere Habitate ab.
  • Möglicherweise noch schlüpfende Larven ernähren sich bei Nahrungsmangel kannibalisch von ihren Artgenossen, oder verhungern. Da sie nicht flugfähig sind, ist ein großräumiger Habitatwechsel für sie so gut wie unmöglich.
  • Für eine neue Zuwanderung von außen ist das Habitat wegen Nahrungsmangels unattraktiv.

Der Begriff „nützlingsschonend“ trifft nach unserer Bewertung dieses Falles in keiner Weise zu.

Mit der Kenntnis des Zyklus und der Vermehrungsstrategie der Blattläuse wird deutlich, dass man ab dem ersten Einsatz eines Insektizids, das die Nützlingspopulation ausräumt, möglicherweise in einen Teufelskreis des Spritzens gerät: In der Regel erwischt man nie alle Blattläuse, und es wandern auch neue von außen zu. Während diese Verbliebenen sich asexuell und durch Lebendgeburt rasant neu vermehren, ist der Zyklus der Marienkäfer unterbrochen und baut sich nicht wieder auf. Bei einem erneuten Anwachsen der Blattläuse auf die entsprechende Behandlungsschwelle folgen weitere Insektizidapplikationen.

Mit der behandelten Saatgutpille waren Insektizideinsätze in Zuckerrüben eher die Ausnahme. Einen geringen Befall haben in der Regel Nützlinge im Schach halten können. Diese Vorteile wurden mit dem Verbot der Neonicotinoide in der Pillenhüllmasse aufgegeben. Die Folge sind Nachteile für den Landwirt (Exposition, mehr Beobachtungsaufwand und neue Arbeitsspitzen mit höheren Kosten), für die Umwelt (höherer Wirkstoffeintrag über die Fläche als jemals zuvor mit der Pille), und für das Ökosystem Rübenacker mit den dort lebenden Nützlingen.

Für diejenigen unter Ihnen, die selbst etwas detaillierter ins Leben der Marienkäfer einsteigen möchten, haben wir Ihnen unten eine kleine Liste an Literatur (teilweise auf Englisch) erstellt, die Sie im Internet per Suchmaschine finden und herunterladen können.

Erfahren Sie im nächsten Beitrag, wie sich eine ungestörte Marienkäferpopulation entwickelt.

BASEDOW Th, 2009; Untersuchungen zur Populationsdynamik des Siebenpunktmarienkäfers Coccinella septempunctata L. (Col., Coccinellidae) auf Getreidefeldern in Schleswig-Holstein von 1976-1979; in: Journal of Applied Entomology 94 (1-5):66-82

KLAUSNITZER B, 2006; Der Siebenpunkt (Coccinella septempunctata Linnaeus, 1758) - Das Insekt des Jahres 2006 in Deutschland und Österreich (Col., Coccinellidae); in: Entomologische Nachrichten und Berichte, 50, 2006/1-2

HODEK I und MICHAUD J P, 2008; Why is Coccinella septempunctata so successful? (A point-of-view); in: European Journal of Entomology 105: 1–12

STEVENS M and BOWEN S, 2020; The Good, the Bad and the Ugly; in: British Sugar Beet Review, May 2020, 16-23; https://bbro.co.uk/publications/beet-review/

RONGHUA L et al., 2014; Impact of imidacloprid on life-cycle development of Coccinella septempunctata in laboratory microcosms, Institute for the Control of Agrochemicals, Ministry of Agriculture, Beijing, China

OHASHI K et al., 2005; Thermal Microhabitat Use by the Ladybird Beetle, Coccinella septempunctata (Coleoptera: Coccinellidae), and Its Life Cycle Consequences; Laboratory of Ecological Information, Graduate School of Agriculture, Kyoto University, Japan

22. Juni 2020 | Wir möchten wissen, wie viele Marienkäfer und deren unterschiedliche Stadien sich auf einem Zuckerrübenfeld befinden, ob sie durch Insektizid- und andere Pflanzenschutzmaßnahmen beeinträchtigt werden, und wie sich eine von Insektizidbehandlungen ausgenommene Population entwickelt. Die dazu vorhandene wissenschaftliche Literatur ist rar und zu einem Großteil 40 bis 50 Jahre alt. Seitdem haben sich Fruchtfolgen, Lebensräume, Pflanzenschutz und auch das Klima verändert. Einer der größten Eingriffe aus jüngster Zeit war das Verbot der neonikotinoiden Saatgutbehandlung in Zuckerrüben.

Dazu ist es nötig, mit Hilfe unterschiedlicher Zählmethoden eine ausreichend große Stichprobe mit mehreren zufällig verteilten Wiederholungen im Feld zu erheben, die sich anschließend auf die Referenzfläche von einem Hektar hochrechnen lässt. Die Erhebungen erfolgen möglichst täglich.

Wir führen die Untersuchung auf drei Praxisflächen im Raum Schöppenstedt (Lkr. Wolfenbüttel, Niedersachsen) durch.

Auf einer Fläche wurde nach ganzflächigem Insektizideinsatz der Populationsrückgang erfasst. Die Insektizidmaßnahme erfolgte bei einer Befallshäufigkeit mit der Schwarzen Bohnenlaus an 32 Prozent der Pflanzen. Zum Einsatz kam ein Präparat mit dem stets als besonders nützlingsschonend empfohlenen Wirkstoff Pirimicarb in der zugelassenen Aufwandmenge. Zum Zeitpunkt der Applikation befand sich auf dem Feld eine Population von ca. 1150 adulten Marienkäfern pro Hektar.

Der Wirkstoff Pirimicarb ist sehr effektiv und bewirkte innerhalb weniger Tage eine nahezu vollständige Bekämpfung der Schwarzen Bohnenlaus.

Wie unsere kleinen Freunde, die Marienkäfer, die Maßnahme gefunden haben, erfahren Sie im nächsten Beitrag.

Das Leben der Marienkäfer

Die roten Marienkäfer mit den schwarzen Punkten sind allgemein bekannt. Wesentlich weniger geläufig sind die Larven und deren Puppen. Dauer der einzelnen Stadien und Migrationsverhalten der Käfer werden durch mehrere Faktoren gesteuert, wie Nahrungsverfügbarkeit, Witterung und Photoperiode (Langtag/Kurztag).

Mitte bis Ende April verlassen die adulten Käfer das Winterlager und suchen sich attraktive Lebensräume in der Agrarlandschaft. Dabei beginnen sie unmittelbar mit der Kopulation und dem Reifefraß der Weibchen. Dabei sind Blattläuse ein essenzieller Bestandteil der Nahrung für die Eireifung.

Die Marienkäfer finden blattlausreiche Lebensräume durch Duftstoffe, die mit Blattläusen befallene Pflanzen abgeben. Man vermutet, dass diese Duftstoffe abgegeben werden, um andere Pflanzen in der Nachbarschaft vor dem Befall zu warnen. Diese beginnen dann ihrerseits bereits mit der Abgabe von Duftstoffen, bevor überhaupt ein Blattlausbefall vorliegt. Die Folge ist ein für Nützlinge sehr attraktiv erscheinendes Habitat. Die Pflanzen rufen die kleinen Helfer herbei.

Die stetige Zu- und Abwanderung der flugfähigen Käfer bestimmt über ein Ansteigen oder Abnehmen der Population. Ein adulter Käfer verzehrt pro Tag etwa 100 Blattläuse. Gibt es genügend Nahrung, erfolgt mit einer Verzögerung weniger Tage auch eine Zunahme der Käfer.

Ab etwa Mitte Mai beginnen die Weibchen mit der Eiablage an Blättern, Pflanzenresten und Erdklumpen, stets in der Nähe von Blattlauskolonien. Ein Eipaket umfasst zwischen 20 und 50 Eiern. Insgesamt werden von einem Weibchen zwischen 800 und 1000 Eiern abgelegt.

Die Eientwicklung dauert bis zum Schlupf der Larven zwischen 5 und 10 Tagen, je nach Umweltbedingungen. Bei Temperaturen unter 12 °C pausiert die Entwicklung. 

In der Regel fressen die erstschlüpfenden Larven einen Teil der noch nicht geschlüpften Eier. Diese stellen ihre erste Nahrung dar, bevor sie sich auf die Suche nach Blattläusen begeben. Bei Nahrungsmangel ernähren sich die Larven mitunter kannibalisch, indem sie ihre Artgenossen fressen. Die Larvenentwicklung erfolgt über 4 Stadien (L1-L4). Zwischen den Stadien häutet sich die stetig wachsende Larve drei Mal. Das Larvalstadium dauert zwischen 18 und 35 Tagen. Während dieser Zeit verzehrt eine Larve zwischen 400 und 600 Blattläusen.

Kurz vor der Verpuppung tritt die Puppenruhe (Praepupa) ein. Die Larve stellt die Nahrungsaufnahme ein und heftet sich mit dem Hinterleib an ein Blatt, wo sie reglos bis zu zwei Tagen verharrt und sich schließlich verpuppt.

Nach 8 bis 15 Tagen schlüpft der neue Jungkäfer aus der Puppe. Der Vorgang dauert nur wenige Minuten, zurück bleibt die leere Puppenhülle. Die Jungkäfer sind gelblich-transparent und erhalten ihre rote Farbe und die typischen Punkte im Verlauf mehrerer Stunden bis Tage.

Die Jungkäfer finden in den ursprünglichen Habitaten oft keine ausreichende Nahrung mehr vor und begeben sich auf Wanderschaft. Diese endet ab Oktober im Winterlager am Südrand von Wäldern und Böschungen, in der Streu und Mulchschicht.

Im April des nächsten Jahres beginnt der Zyklus von Neuem.

Die Lebensdauer eines Käfers beträgt etwa ein Jahr. Es gibt eine hohe natürliche Mortalität von ca. 40 Prozent, insbesondere durch Parasitenbefall. In unseren Breiten kommt pro Jahr eine Generation vor.